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Antarktischer Eispanzer schmilzt schneller als bisher berechnet

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Bisher betrachtete man den westantarktischen Eisschild als denjenigen Teil Antarktikas, der schneller und massiver vom Klimawandel beeinflusst wird, als die Ostantarktis. Doch einer brandneue Studie von internationalen Forschern rund um den bekannten Wissenschaftler Eric Rignot zufolge hat der Eispanzer Antarktikas in den vergangenen vierzig Jahren seinen Eismassenverlust versechsfacht. Ausserdem habe diese Schmelze den Meeresspiegel tatsächlich um 1.4 cm ansteigen lassen, schreiben die Forscher in ihrer Studie weiter.

Der antarktische Eisschild besteht tatsächlich aus zwei Teilen, einem westlichen und einem östlichen. Bisher ging man davon aus, dass der westliche Teil stärker abschmilzt als der letztere. Rignot und seine Kollegen sind nun zu einem anderen Ergebnis gekommen. Bild: Michael Wenger
Der antarktische Eisschild besteht tatsächlich aus zwei Teilen, einem westlichen und einem östlichen. Bisher ging man davon aus, dass der westliche Teil stärker abschmilzt als der letztere. Rignot und seine Kollegen sind nun zu einem anderen Ergebnis gekommen. Bild: Michael Wenger

„Das ist gelinde gesagt, nur die Spitze des Eisberges“, erklärt Hauptautor Eric Rignot, Professor und Leiter der Erdsystemforschung an der Universität Kalifornien Irvine. „Da der antarktische Eispanzer weiter abschmelzen wird, erwarten wir einen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter in den nächsten Jahrhunderten.“ Für ihre Arbeit führten die Forscher die nach ihren Angaben längste Bewertung der verbleibenden antarktischen Eismassen durch. Über 4 Jahrzehnte reichend war das Projekt auch geographisch breit gefächert, denn das Team untersuchte 18 Regionen, die 176 Becken und die umliegenden Inseln umfassten. Die Methoden zur Bestimmung der Eismassenbilanz beinhalteten einen Vergleich der Schneeansammlung in inneren Becken mit dem Ausfluss über die Gletscher an ihren Grundlinien, wo das Eis zu schwimmen beginnt und sich vom Untergrund hebt. Die Daten wurden von ziemlich hochaufgelösten Luftbildaufnahmen der NASA-Operation IceBridge, Interferometrischen Satellitenaufnahmen verschiedener Weltraumbehörden und den laufenden Landsat-Satellitenbildern, die seit den 1970-er Jahren existieren, bezogen. Dadurch errechnete die Forschergruppe, dass zwischen 1979 und 1990 pro Jahr 40 Gigatonnen Eis jährlich von Antarktika abschmolzen. Dagegen verschwanden zwischen 2009 und 2017 pro Jahr satte 252 Gigatonnen Eis. Die Geschwindigkeit der Schmelze stieg also dramatisch an im Verlauf der vierzig-jährigen Periode: Zwischen 1979 und 2001 betrug die Schmelztrate jährlich 48 Gigatonnen pro Jahrzehnt; zwischen 2001 und 2017 stieg die Rate um 280 Prozent auf jährlich 134 Gigatonnen pro Jahrzehnt.

Die Schmelzrate der antarktischen Gletscher stieg vor allem durch wärmeres Wasser, das die Gletscher von unten her schmelzen lässt. Dadurch brechen riesige Stücke von den Gletschern und Eisschelfen, die eigentlich den Gletscherabfluss stoppen. Bild: Michael Wenger
Die Schmelzrate der antarktischen Gletscher stieg vor allem durch wärmeres Wasser, das die Gletscher von unten her schmelzen lässt. Dadurch brechen riesige Stücke von den Gletschern und Eisschelfen, die eigentlich den Gletscherabfluss stoppen. Bild: Michael Wenger

Eric Rignot sagt, dass eine der Schlüsselresultate des Projektes der Beitrag der Ostantarktis am gesamten Eismassenverlust in den letzten Jahrzehnten ist. „Der Wilkes-Land-Sektor der Ostantarktis war im Ganzen gesehen, schon immer ein wichtiger Teil des Massenverlustes, bis in die 1980er Jahre hinein. Das konnten wir zeigen. Die Region ist wahrscheinlich empfindlicher auf den Klimawandel als bisher angenommen. Und das ist sehr wichtig zu wissen, denn in dem Sektor liegt mehr Eis als in der Westantarktis und auf der antarktischen Halbinsel zusammen.“ Rignot fügt an, dass die Sektoren mit den grössten Massenverlusten nahe an relativ wärmeren Wassermassen anliegen. „Weil die Klimaerwärmung und der Ozonverlust immer mehr Meereswärme in diese Sektoren treiben, werden diese weiterhin in den kommenden Jahrzehnten den Meeresspiegel ansteigen lassen“, erklärt er zum Schluss.

Auf den von den Forschern veröffentlichten Karten sind die Eisverluste der einzelnen Bereiche West, Ost, Halbinsel und die gesamte Antarktis klar erkennbar. Die Verluste pro Jahr und die Beschleunigungen der Verluste pro Jahr und Dekade in Gigatonnen stehen über den Grafiken. Blau = Oberflächenmassebilanz, rote Linie = Eisabfluss an der Grundlinie, violett = Gesamtmasse.
Auf den von den Forschern veröffentlichten Karten sind die Eisverluste der einzelnen Bereiche West, Ost, Halbinsel und die gesamte Antarktis klar erkennbar. Die Verluste pro Jahr und die Beschleunigungen der Verluste pro Jahr und Dekade in Gigatonnen stehen über den Grafiken. Blau = Oberflächenmassebilanz, rote Linie = Eisabfluss an der Grundlinie, violett = Gesamtmasse.

Quelle: University of California Irvine UCI / News