Skip to main content

Belugas, die blind machen

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Einen weiteren Fall, bei dem neue Erreger arktische Tierarten befallen hatten, präsentierten Grigg und Raverty bei Belugas, bei denen der Befall mit Toxoplasma gondii, dem Erreger der Toxoplasmose, festgestellt wurde. Normalerweise sind Katzen der Endwirt dieses Parasiten, doch die Krankheit ist einer der Hauptgründe für Blindheit bei Menschen.

Belugas sind Zahnwale, die bei den Inuit einen hohen Stellenwert haben.
Belugas sind Zahnwale, die bei den Inuit einen hohen Stellenwert haben.

Sind Schwangere vom Parasiten betroffen, führt der Befall vielfach zum Verlust der Frucht, während Menschen mit geschwächtem Immunsystem auch daran sterben können. Meist ist ein Kontakt mit Katzenkot oder der Verzehr von halbrohem Fleisch der Infektionsgrund. «Belugas sind nicht nur ein integraler Teil der Inuit-Kultur und Folklore, sondern auch ein wichtiges Nahrungsmittel. Jäger und Vertreter der Inuit-Gemeinden sind sehr besorgt über die Lebensmittelsicherheit», sagt Stephen Raverty, Veterinärpathologe beim Ministerium für Landwirtschaft und am Zentrum für Landtiergesundheit und Assistenzprofessor an der Universität British Columbia. Raverty hat in den letzten 14 Jahren die systematische Probenentnahme und die Überwachung von gejagten Belugas geleitet.

Belugas werden schon seit Jahrhunderten von Inuit als Teil der Ernährung genutzt. Früher noch roh, wird das Fleisch heute gekocht. Doch trotzdem bietet diese Ernährungsweise grosse gesundheitliche Risiken. © Stephen Raverty
Belugas werden schon seit Jahrhunderten von Inuit als Teil der Ernährung genutzt. Früher noch roh, wird das Fleisch heute gekocht. Doch trotzdem bietet diese Ernährungsweise grosse gesundheitliche Risiken. © Stephen Raverty

Toxoplasmose ist enorm weit verbreitet und man schätzt, dass bis zu einem Drittel der Weltbevölkerung den Parasiten in sich trägt. Für gesunde Individuen bildet der Parasit keine ernstzunehmende Gefahr. Aber für ungeborene Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann Toxoplasmose tödlich enden. Bereits 1987 kam es in einem Dorf in Nordquebec bei vier mit dem Parasiten angesteckt schwangeren Frauen (von 30 Frauen des Dorfes insgesamt) zu Komplikationen. Der Hauptansteckungsgrund war wohl verseuchtes getrocknetes Robbenfleisch gewesen. «Die traditionelle Verarbeitungs- und Kochmethoden der Inuit sollte eigentlich genügen, um Toxoplasma abzutöten. Aber anfällige Bevölkerungsteile wie beispielsweise schwangere Frauen müssen extra vorsichtig sein bei der Verwendung und dem Verzehr von rohem Walfleisch», sagt Michael Grigg. Forscher der UBC hatten bereits früher infizierte Meeressäuger in der nördlichen Pazifikregion gefunden. Aber durch den Fund des Parasiten in von Jägern erlegten Belugas, ist eine neue Dimension und Bedenken über Gesundheitsrisiken entstanden. Denn der Verzehr von Belugafleisch ist ein anerkannter Bestandteil der Inuitkultur.

Toxoplasma in einem Beluga-Herz. Der Befall mit Toxoplasma war bei Belugas bisher unbekannt und bedroht nun die Inuit. © Michael Grigg, Stephen Raverty
Toxoplasma in einem Beluga-Herz. Der Befall mit Toxoplasma war bei Belugas bisher unbekannt und bedroht nun die Inuit. © Michael Grigg, Stephen Raverty

Das Eis als natürliche Barriere für Erreger

Einzellige Parasiten wie Toxoplasma und Sarcocystis infizieren und überdauern in vielen Tierarten, die sie als Zwischenwirte nutzen. Die infektiösen Formen der Parasiten werden nur durch den Endwirt verbreitet. Zum Beispiel sind Katzen der Endwirt von Toxoplasma, während für Sarcocystis mehrere Endwirte existieren. Die Verbreitung der Parasiten von Nord nach Süd und umgekehrt wurde bisher durch die arktischen Eismassen verhindert. Doch durch den Klimawandel fiel diese Barriere weg und erleichterte die Verbreitung der Erreger in neue, stark anfällige, weil ungeschützte Tierarten. Viele dieser Arten sind neu in die Arktis eingewandert. Und sie fungieren nun wie Züge für die Erreger auf deren Weg in neue Gebiete und gelangen so in den arktischen Nahrungskreislauf, an deren Ende unter anderem auch wir stehen.

Quelle: University of British Columbia www.ubc.ca