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Verhungerter Eisbär Opfer des Klimawandels?

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Eisbären sind die grössten Landraubtiere der Erde und stehen im Nahrungsnetz ganz oben. Vor allem Robben, die auf dem Eis leben, sind ihre Hauptnahrung und sie sind entsprechend an eine Jagd auf dem Eis angepasst. Doch genau diese Anpassungen werden ihnen nun zum Verhängnis. Denn mit dem Rückgang des Eises wird es auch für Eisbären immer schwieriger, genügend Nahrung zu finden. Ein verhungerter 16-jähriger Eisbär ist nun zum Symbol für diese Problematik geworden. Der Eisbär, der nur noch aus Haut und Knochen bestand, sei aufgrund des Verlustes von Meereis und dem damit einhergehenden Fehlen von Robben verhungert, meint ein bekannter Eisbärenforscher.

Ein Auf Spitzbergen verhungerter 16-jähriger Eisbär ist nun zum Symbol für diese Problematik geworden. Foto: Ashley Cooper, Global Warming Images
Ein Auf Spitzbergen verhungerter 16-jähriger Eisbär ist nun zum Symbol für diese Problematik geworden. Foto: Ashley Cooper, Global Warming Images

Der Klimawandel hatte die arktische Meereisdecke im letzten September auf ein Rekordminimum schmelzen lassen und Dr. Ian Stirling, der seit mehr als 40 Jahren Eisbären erforscht und das tote Tier untersucht hatte, erklärt, dass das Fehlen von Eis das Tier dazu gezwungen hatte, weite Strecken auf seiner offensichtlich erfolglosen Nahrungssuche zurückzulegen. «Aufgrund seiner Körperlage im Tod, scheint der Bär einfach verhungert und an Ort und Stelle gestorben zu sein», meint Stirling. «Von aussen waren keinerlei Fettreserven mehr zu sehen und das Tier schien nur noch Haut und Knochen zu sein».

Der Bär war noch im April 2013 von Experten des Norwegischen Polarinstituts im südlichen Bereich des Svalbard-Archipels untersucht worden und schien gesund zu sein. Der gleiche Bär war schon bereits in den letzten Jahren immer wieder im südlichen Abschnitt des Archipels gefangen worden. Nun wurde sein ausgemergelter Körper im Juli über 250 km weiter nördlich gefunden, was eine sehr ungewöhnliche Abweichung von seinem normalen Bewegungsmuster ist. Der Eisbär folgte wahrscheinlich den Fjorden ins Inland während er nach Norden wanderte und hatte somit die doppelte oder dreifache Strecke zurückgelegt.

Die Hauptnahrung der Eisbären besteht aus Robben, welche sie auf dem Eis erbeuten. Foto: Michael Wenger, PolarNEWS
Die Hauptnahrung der Eisbären besteht aus Robben, welche sie auf dem Eis erbeuten. Foto: Michael Wenger, PolarNEWS

Eisbären ernähren sich vor allem von Robben und benötigen dazu das Meereis, um ihre Beute jagen zu können. Aber im Jahr 2012 wurde ein Rekordminimum an Meereis verzeichnet. Prond Robertson vom Norwegischen Meteorologischen Institut erklärt: «Das Meereis um Svalbard brach 2013 schon sehr früh auf und verschwand sehr schnell». Weiter sagt er, dass die letzten Jahre sehr schlecht in Bezug auf Meereis um Svalbard waren: «Warmes Wasser war in die westlichen Fjorde zwischen 2005 und 2006 eingedrungen und ist seither dort liegen geblieben». Stirling, der nun bei Polar Bear International arbeitet und früher an der Universität von Alberta und für den kanadischen Wildlife Service tätig war, sagt: «Die meisten Fjorde und Kanäle zwischen den Inseln sind im letzten Winter nicht normal zugefroren und damit sind viele potentielle Futtergebiete, die diesem Bären bekannt waren, wahrscheinlich nicht so produktiv gewesen wie in einem normalen Winter. Dadurch ist es wahrscheinlich, dass der Bär in anderen Gebieten nach Nahrung suchte, jedoch ohne Erfolg».

Fehlendes Eis und demzufolge der ausbleibende Jagderfolg treibt diesen Eisbären in die Felswand beim Akefjelet in der Hinlopenstrasse auf Spitzbergen. Ein Absturz bedeutet für den Eisbären den sicheren Tod. Foto: Michael Wenger, PolarNEWS
Fehlendes Eis und demzufolge der ausbleibende Jagderfolg treibt diesen Eisbären in die Felswand beim Akefjelet in der Hinlopenstrasse auf Spitzbergen. Ein Absturz bedeutet für den Eisbären den sicheren Tod. Foto: Michael Wenger, PolarNEWS

Forschungsresultate, die in diesem Mai veröffentlicht wurden, zeigen, dass der Verlust von Meereis die Gesundheit, die Bruterfolg und die Populationsgrösse von Eisbären in der Hudson Bay in Kanada negativ beeinflusst, da die Tiere länger an Land warten müssen, bis das Meer wieder zufriert. Eine andere Arbeit zeigte deutlich, dass das Gewicht von Eisbären zurückgeht. Im Februar veröffentlichte eine Arbeitsgruppe von Eisbärenexperten eine Studie, die zeigte, dass der schnelle Eisverlust Optionen wie das Anfüttern von verhungernden Eisbären durch den Menschen in Betracht gezogen werden müsste, um die übriggebliebenen 20'000 – 25'000 Eisbären zu schützen. Die International Union fort he Conservation of Nature (IUCN), die weltgrösste Naturschutzorganisation, hält fest, dass von den 19 bekannten Eisbärenpopulationen rund um die Arktis nur 12 genauere Daten zur Populationsgrösse aufweisen. Davon sind acht auf dem Rückgang, drei sind stabil und nur eine weist eine Zunahme auf. Die IUCN sagt voraus, dass durch den zunehmenden Eisverlust zwischen einem Drittel und der Hälfte der Eisbären weltweit innerhalb der nächsten drei Generationen (ca. 45 Jahren) verloren gehen werden. US-Amerikanische und russische Behörden meinten im März sogar, dass durch den schneller als erwarteten Eisverlust bis zu zwei Drittel der Eisbären verloren sein werden.

Durch den Klimawandel haben die Eisbären das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals. Foto: Heiner Kubny, PolarNEWS
Durch den Klimawandel haben die Eisbären das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals. Foto: Heiner Kubny, PolarNEWS

Einen einzigen Verlust dem Klimawandel zuzuschreiben kann zu Kontroversen führen, aber Douglas Richardson, Vorsteher am Highland Wildlife Park in Kingussie, Schottland, meint: «Es geht nicht nur um einen einzelnen Bären. Es gibt immer mehr Eisbären in diesem Zustand: Sie können nicht genügend Fettreserven ansammeln, um die Fastenzeit während des Sommers zu überstehen. Dieser eine Eisbär ist nur ein weiterer Beweis für den Einfluss des Klimawandels».

Der Eisverlust durch den Klimawandel ist «absolut, kategorisch und zweifelsfrei» der Grund für die abnehmenden Eisbärenpopulationen, meint Richardson weiter, der für die einzigen öffentlich zu besichtigenden lebenden Eisbären zuständig ist. Er sagt, dass die 16 Jahre nicht besonders alt für einen freilebenden, männlichen Eisbären sind, die normalerweise über zwanzig Jahre alt werden können. «Es kann durchaus eine Krankheit gegeben haben, aber es würde mich sehr stark verwundern, wenn es etwas anderes als Verhungern gewesen ist», erklärt er weiter. «Wenn Eisbären einmal das Erwachsenenalter erreicht haben, sind sie beinahe unzerstörbar, fast wie aus Stahl».

Jeff Flocken vom International Fund for Animal Welfare erklärt: «Obwohl es schwierig ist, einen einzelnen Todesfall dem Klimawandel zuzuschreiben, könnte es trotzdem nicht klarer sein, dass dramatische und langfristige Veränderungen im arktischen Lebensraum das Überleben der Eisbären bedrohen. Die Bedrohung durch Habitatsverlust durch den Klimawandel, verstärkt durch das unkontrollierte Jagen aus kommerziellen Gründen in Kanada, könnte zum Verlust einer der weltbekanntesten Ikonen führen... und das wäre eine wahre Tragödie».

Quelle: www.theguardian.com